DU ...

„Du, das macht mich megasauer!“

ÜBER DIE UNSITTE DES DUZENS IN DER WERBUNG.

Schild kurvenreiche Strecke
Großer Fehler: Ungefragtes Duzen

Kommentar aus aktuellem Anlass – 29.10.2020, Dieter Wiemkes -
In einem Forum hat jemand wunderbar treffend das ungefragte Duzen als „Verbal-Grabscherei“ bezeichnet!
(Um es zu verdeutlichen: Ich habe gar nichts gegen das Du bei den richtigen Zielgruppen!)

„Duzen ist Tyrannei der Intimität“

Lisa Eckhart (Kabarettistin) zitiert in einem Interview Lisa Eckhart, ist das lustig? | Sternstunde Philosophie | SRF Kultur den Soziologen Richard Sennett, der das Duzen als „Tyrannei der Intimität“ bezeichnet. Ihr selbst sei das Duzen zuwieder. Sie möchte sich das Duzen für intime Beziehungen vorbehalten. Und: „Nicht mehr zu Siezen ist ein ästthetischer Verlust.“

Ihre Ansicht ist: „Alles ist amorph und distanzlos, ständig dieses dauernde Geduze, dieses ständige Umarmen, und Küsschen hier, Küsschen da - mich mach das ganz paranoid.“

„Hey DU, hier sind meine Ziele:“

Durch das Duzen und die falsche Vertrautheit in werblichen Aussagen möchte man gern jugendlich wirken und in meine Privatsphäre eindringen. Derartige Blender wollen vorgaukeln, man sei Partner auf gleicher Ebene. Man will Distanz abbauen, sich in meine Familie einschmeicheln, will unsensibel und unhöflich Teil davon werden und rabiat eventuelle Hindernisse abbauen. „Sei doch bitte nicht so skeptisch, denn einem Duz-Partner hat man doch zu vertrauen!“
Man will fortschrittlich, jugendlich und modern erscheinen. Das Argument lautet: Google, Ikea und andere große Player machen es ja auch so. Der nächste Fehler ist, dass man auch noch sprachliches Jugendjargon und denglische Anglizismen verwendet. So macht man sich jedoch vollends unglaubwürdig und zerstört seinen seriösen Ruf nachhaltig. Obendrein wirkt das Ganze arrogant, respektlos und überaus abschätzig!

Affe will etwas aus der Hosentasche stehlen

Es erscheint wie eine dumm-dreiste Anmache, vergleichbar mit: „Ey, hast´e ´mal ´nen Euro?“

Solche Absender sprechen mir offenbar sogar die Intelligenz ab, darüber nachdenken zu können, dass man sich mit dem Du nur einschleimen will. Sie halten mich - meine Intelligenz beleidigend - schlicht für dumm.

Das Du in der „offeneren“ Kommunikation dient oft (Beispiel Google) nur den gewünschten und übergelagerten interessen. So angewendet verunglimpft es die Vertrautheit sogar! Dort geht es darum, Hierarchien der Oligarchie zu verschleiern und mich – und die mir abverlangte Vertrautheit – zu vereinnahmen. Somit ist das Du bei derartigen Unternehmen nur ein billiger „Bauernfängertrick“. Der „Mächtigere“ will auf subtile Weise die Einstellung zu ihm beeinflussen. Das Du soll zum Ausdruck bringen: Wir sind doch eine so tolle Geimeinschschaft und haben alle die (angeblich) gleichen Ziele.

Es ist richtig, dass die Jugendlichen keine andere Sprache kennen, weil sie schon lange von ihr durchdrungen sind. Damit geht leider auch eine gewisse Wertlosigkeit einher. (Wenn du nicht das neueste Smartphone hast, sind die anderen wertvoller als du). Ich hingegen bin - wie so viele andere auch - mit Werten aufgewachsen und lebe sie auch gerne. Es widerstrebt mir, andere mit falschen Haltungen täuschen und verführen zu wollen.

Auch Jugendliche, die mit dem Du aufgewachsen sind, werden an einen kritischen Punkt auf ihrem Lebensweg kommen. Sie werden sich fragen, ob es nicht besser ist, mehr Respekt zu zeigen - und für sich selbst einzufordern.

„Hey DU, ich dräng´ mich dann ´mal auf!“

Was mich betrifft, kann ich sagen: Die Penetranz, mich duzen zu wollen, widert mich an! Ohne mein Einverständnis werde ich übergriffig geduzt. Damit werde ich nicht wertgeschätzt. Da mir gegenüber kein Respekt gezeigt wird, fehlt mir logischerweise auch der Respekt gegenüber dem Unternehmen, das mich duzen will.

Es gibt Menschen, die alles wie einen von Gott gegebenen „Wandel der Zeit“ fatalistisch und resignierend hinnehmen. Man hört das Argument, das Siezen sei ja „alte hierarchische Denk- und Arbeitsweise“. Es müsse ein Kulturwandel angestrebt werden. Zu ermitteln wäre aber, aus welchem Mülleimer fehlgeleiteter Marketingexperimente sie diese angebliche Erkennnis gezogen haben oder von welchen wertelosen Indoktrinierern man diese angeblichen Weisheiten erlangt hat.

Mann bedrängt Frau

In solchen Marketingabteilungen denkt man wahrscheinlich: Die Großen werden schon wissen, was richtig ist. Und wenn die sich das trauen, dann kann man das ja ohne zu hinterfragen einfach übernehmen. (So wie man schon unzählige andere dumme und schädliche Gewohnheiten einfach übernommen hat).

Und der Geschäftsleitung sagt man, das wäre eine ganz tolle Sache, weil man damit Nähe aufbauen und Hindernisse abbauen könne. Man bemerkt aber nicht, dass diese gewollte Nähe eine abstoßende Pseudo-Nähe ist. Die bewirkt den genau gegenteiligen Effekt. So „angefasst“ wendet man sich angewidert ab. Diese Unternehmen bemerken (noch) nicht, dass sie damit eigene Werte zerstören.

„Hey DU, füge Dich, wir sind nämlich alle gleich!“

Soll die Verweigerung des individuellen Respekts zu Gleichmacherei und kommunistischen Gesellschaftsformen führen? Es ist leider immer häufiger zu beobachten, dass die Gesellschaft auf immer ärgerlichere Weise zum „Du“ geführt werden soll. Meine imitierenden Marketing- und Werbekollegen scheinen leider die nicht hinterfragenden Vollstrecker solcher abstrusen Ideenvorgaben zu sein.

Respekt vor dem Individuum und der Familie soll möglichst glattgebügelt, ja sogar wegerzogen werden. Wir sollen gleichförmiger werden, weil sich wohl zu viel freies Denken und Individualismus breit gemacht haben (?). Es scheint ein übergeordneter Plan zu bestehen, die Familie als Institution zu diskreditieren, Respektlosigkeit zu propagieren und die Bevölkerung zu einer leicht formbaren Knetmasse umzuerziehen.

Die „hippen“ Unternehmen (wie sie sich selbst sehen) unterwerfen sich diesem Diktat. Sie scheinen den Fehler gar nicht zu bemerken, weil man ja angeblich mit der Zeit schwimmen will. Irgendwann wird man bei dieser Art des „Schwimmens“ aber plötzlich merken, dass man beim Schwimmen auch mit der Reputation des eigenen Unternehmens untergehen kann.

untergehendes Schiff

Ganz offen ist erkennbar, dass unlautere Absichten hinter der plumpen Vertraulichkeit stecken. Es soll etwas vorgetäuscht werden, das gar nicht da ist. Und das wird dann erst recht nicht mehr da sein. Das Vertrauen ist nämlich nach dem ungefragten „Du“ verspielt.

Will man mit mir wirklich so kommunizieren wie mit einem Kind im Kindergarten oder in der Schule? Selbst in der Schule wird ab der 10. Klasse in den Schulbüchern respektvoll gesiezt. Liebe Marketingkolleginnen und -kollegen, Eure Kunden wollen nicht erzogen werden und sie sind nicht dumm!

„Hey DU, lass uns kuscheln!“ – selbst bei Xing

Sogar bei XING, einst eine „Reputationsinstanz“, hat man diese Unsitte übernommen. Seitdem ist Xing in meinem Ansehen stark gesunken. Auch, weil man die Empörung darüber bisher nicht ernst genommen hat und auch nicht bereit ist, darüber nachzudenken. Inzwischen will Xing nicht einmal mehr die weit über 1.000 Kommentare zu dem Thema online stellen. Aber das ist sicher nur ein „technisches“ Problem. ;-)
Ob man dort wohl inzwischen bemerkt hat, dass man einen Fehler gemacht hat?

Unterzeichnet mit „Eure Sabrina“ (Frau Dr. Sabrina Zeplin, von Xing) schreibt sie zu Ihrem Entschluss, das Du einzuführen: „Wir als Unternehmen stehen für eine moderne Arbeitswelt.“ Sie habe das Du von ihrem früheren Arbeitgeber (OTTO-Group) übernommen. Sie übergeht jedoch die wichtige Tatsache, dass ich als Xing-Kunde nicht zu ihrer Arbeitswelt gehöre. Vielleicht hat man Ihr gesagt, dass es auch ein neuer, nach außen gerichteter Marketingtrick ist, um eine bessere Gemeinschaft zu erreichen und die Mitglieder leichter zu beeinflussen?

Oder ist es eine Vorgabe und Teil des psychologischen Pflichtproramms zur Zerstörung der Kultur? In jüngster Zeit werden immer häufiger über lange Zeit gewachsene gesellschaftliche Werte zerstört. Einige Mitbewerber im Marketing- und Werbebereich empfehlen ihren Kunden leider auch unreflektiert, in Werbeaussagen das Du als Anrede zu verwenden! Liebe Kollegen, das ist leider zu kurz gedacht. Ihr seid Irrlichtern aus dem Märchenland aufgesessen! Und ihr zerstört damit die gesellschaftliche Distanz, die eine großartige Errungenschaft unserer Kultur und des Sozialwesens darstellt!

Märchenszene mit Glühwürmchen

Welche irritierenden Verhaltensweisen das Duzen in Werbeaussagen hervorbringt, äußert sich dann, wenn Briefe mich duzender Unternehmen eintreffen. Darin lautet es dann „Herr ...“ und „Sie“.

„Hey DU, das ist aber schädlich für das Personalmarketing!“

Der Ton macht die Musik, aber nicht diese angestrebte Gleichmacherei auf Kindergarten- und Jugendniveau. Ein weiterer Irrglaube: Hierarchien würden durch das Duzen abgebaut. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach siezen 36 Prozent der Deutschen sogar gleichrangige Kollegen, 60 Prozent bieten das Du nur engen Freunden und Verwandten an und fast jeder Vierte hat sogar schon einmal ein Duz-Angebot abgelehnt.

Wenn zum Beispiel Mitarbeiter gegen ihren Willen geduzt werden, dann kann dadurch ihr Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 des Grundgesetzes verletzt sein. Auf die Art und Weise, wie man angeredet werden möchte, hat man nämlich ein Selbstbestimmungsrecht. Gegen das von Unternehmen verordnete Duzen hat es bereits ein Gerichtsurteil gegeben.

Auch in „Personalwirtschaft“ kann man die Erkenntnisse lesen: „Mitarbeiter und Bewerber gegen verordnetes Duzen ... Duz-Trend kann mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen ... Unternehmen, die dazu übergingen, Mitarbeiter, Bewerber und Kunden grundsätzlich zu duzen, liefen daher in die falsche Richtung.

In manchen Unternehmen mag das Duzen im Einzelfall einen kleinen Vorteil im Sinne einer besseren Zusammenarbeit bringen. Oft genug ist jedoch mit Problemen unterschiedlichster Art zu rechnen. Als Hinweis: Auch beim „Sie“ kann man sehr partnerschaftlich miteinander umgehen. Im Berufsleben wird sich die Kombination „Sie“ und Vorname wohl immer als vorteilhaft erweisen und durchsetzen.

Resümee: Wenn ein Unternehmen meint, Interessenten und Kunden Duzen zu müssen, dann erweist es sich leider als nicht ernst zu nehmend.

Das Ansinnen wirkt wie ein lächerlicher Versuch der verbalen Grabscherei.

Nachtrag:

Siezen gehört immer noch zum guten Ton: Nur 8 Prozent wollen es abschaffen

„Appinio Study“ veröffentlichte im Mai 2019 eine Umfrage zum „Du“ und „Sie“ unter 4.877 Teilnehmern zwischen 16 und 54 Jahren.

Die wichtigsten Ergebnisse lauten:

61 % sagen, es ist ein Zeichen von Respekt, Höflichkeit und Zurückhaltung und nur 8 % sagen, das "Sie" gehört abgeschafft.

Auf das Arbeitsleben bezogen liest man in der Studie:

Nur 33 % der Arbeitnehmer, die Ihren Chef siezen, wären mit ihm lieber per Du.
22 % der Arbeitnehmer, die ihren Chef duzen, würden lieber zum Sie zurückkehren.

Das sind Fakten, die Werbeagenturen, Marketingabteilungen und alle Selbstständigen berücksichtigen sollten.

Natürlich gehört es zu den Aufgaben einer Werbeagentur, neue Wege zu testen. Aber man darf nicht erwarten, dass man in der speziellen „Blase“ der Agenturwelt immer die Werte der Gesellschaft erkennt!

Die gewünschte Gleichmacherei durch das „Du“ ist offensichtlich ein ungeliebter und viele abnervender Trend. Einem Unternehmen, von dem man seriöses Verhalten und ernstes Interesse erwartet, kauft man dieses „jugendliche“ Anbiedern ohnehin nicht ab. Das „Du“ wird somit eindeutig Schaden anrichten.

Es ist immer hilfreich, sensibel, feinfühlig und respektvoll miteinander umzugehen. Ansonsten kommt es zu einer dokumentierten Rücksichtslosigkeit und Respektlosigkeit, die dazu führt, dass ALLES als gleichgültig abgetan wird. Das beginnt beim achtlosen Wegwerfen von Getränkebechern auf die Straße, geht über das respektlose "Du" gegenüber Fremden bis hin zur achtlosen Zerstörung von Natur und Artenvielfalt.

Wir sollten gewachsene Werte des Zusammenlebens bewahren und nicht leichtfertig zerstören!